Aufräumen mit Mythen über Europa

Veröffentlicht am 04.06.2009 in Europa
 

Die EU oder wie viele gern verkürzt sagen - Brüssel - muss für so ziemlich alles herhalten, was hierzulande schief geht oder schlichtweg nicht verstanden wird. Mal ist es die Krümmung der Gurke, mal ist es der Feinstaubfilter im Kamin, mal sind es die (zu geringen oder zu hohen, je nach Ansichtssache) Agrarsubventionen. Die EU dient den Politikern in Bund und Land häufig als Sündenbock. Wir wollen aufräumen mit verschiedenen Mythen, die sich leider hartnäckig halten, denn die EU ist gut für uns und die Teilnahme an der Europawahl ist wichtig. Das muss einmal deutlich gesagt werden.

Behauptung: Deutschland ist der Zahlmeister Europas

Als größtes und wirtschaftlich stärkstes Land leistet Deutschland zunächst einen größeren Beitrag zur EU als die kleineren Mitgliedstaaten. Derzeit beträgt der deutsche Beitrag an die EU in etwa 22 Milliarden Euro jährlich. Davon fließen jedoch mehr als 15 Milliarden Euro an Deutschland zurück. Zum Beispiel als EU-Fördermittel für strukturschwache Regionen, für die Landwirtschaft oder für Forschung und Innovation sowie Wachstum und Beschäftigung. Es verbleibt ein Nettobeitrag Deutschlands von sechs bis sieben Milliarden Euro. Dies entspricht in etwa einem EU-Beitrag von 90 Euro pro Kopf im Jahr. Zum Vergleich: die Niederländer bezahlen 179 Euro pro Kopf und auch die Schweden sowie die Luxemburger bezahlen pro Kopf weit mehr für Europa. Hinzu kommt: Der deutsche EU-Nettobeitrag ist in den letzten Jahren insgesamt deutlich zurückgegangen.

Behauptung: In Brüssel arbeitet ein aufgeblähter, hoch bezahlter
Beamtenapparat

Für die europäische Kommission arbeiten etwa 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Allein am Frankfurter Flughafen sind mehr als doppelt so viele Menschen beschäftigt. Hinzu kommt: Die Angestellten der EU müssen mindestens zwei Sprachen der EU fließend sprechen und schreiben können, üblich sind sogar mehr. Diesen Anforderungen entsprechend werden die Beamte etwas aber nicht wesentlich besser bezahlt, als Beamte in den deutschen Bundesministerien: Das Grundgehalt bei Neueinstellung im Gehobenen Dienst beträgt 2.300 Euro pro Monat brutto. Anders als mitunter behauptet wird, bezahlen die EU-Beamten wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger der EU auch Steuern: Ihre Einkommenssteuer fließt in den Unionshaushalt ein.

Behauptung: Die EU hat einen viel zu großen Haushalt

Der durchschnittliche Jahreshaushalt der EU liegt derzeit bei ungefähr 139 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt in Deutschland ist mehr als doppelt so groß. Er beträgt im Jahr 2009 ungefähr 290 Milliarden Euro. Dabei repräsentiert die EU rund 500 Millionen Menschen, Deutschland dagegen rund 82 Millionen.

Behauptung: Die EU verschwendet den Großteil ihrer Einnahmen für Personal- und Verwaltungsausgaben

Nur fünf Prozent der gesamten Mittel werden für Personal und Verwaltung
ausgegeben. Damit werden allerdings nicht nur die Mitarbeiter der Kommission, sondern aller EU-Institutionen bezahlt, darunter auch der Rat der europäischen Regierungen und das Europäische Parlament.

Behauptung: Brüssel macht alles gleich: die Größe von Äpfeln oder den
Krümmungsgrad von Bananen und Gurken.

In diesem Zusammenhang wird häufig vergessen, dass Industrie und Handel diese Regelungen wollten. Viele dieser Regelungen haben mit Handelsklassen, Sicherheitsstandards und Industrienormen zu tun. Sie wären auch ohne die EU nötig, würden dann aber auf nationaler Ebene beschlossen. Wenn es für ein und dasselbe Produkt in den 27 Mitgliedsstaaten des gemeinsamen europäischen Marktes 27 verschiedene Regelungen gibt, dann können Händler und Hersteller kaum vom Binnenmarkt profitieren. Sie müssten ihr Produkt für jedes Land anpassen. Die von Brüssel festgelegten Normen und Regelungen ermöglichen es den Unternehmen uneingeschränkt Handel in Europa treiben.

Der wohl bekannteste Mythos in diesem Zusammenhang ist die Festlegung des Krümmungsgrades von Salatgurken. Diese geht auf den ausdrücklichen Wunsch des Handels zurück: Durch den einheitlichen Krümmungsgrad passen mehr Gurken in eine Standardkiste, und es kann zudem schneller kontrolliert werden, wie viele Gurken in der Kiste stecken. Allerdings hat die EU im November 2008 beschlossen, 26 dieser Normen – darunter auch die für Gurken – zu streichen. Ab 1. Juli 2009 gelten sie nicht mehr. Vorschriften werden dann nur noch für Sorten bestehen, die für den grenzüberschreitenden Handel am wichtigsten sind, wie z.B. Äpfel und Tomaten. Für den Kunden bedeutet es mehr Auswahl, für die Händler - vielleicht - weniger Gurken in einer Kiste.

Behauptung: Brüssel reißt immer mehr Macht an sich und ist ein
unkontrollierbarer Moloch.

Die EU kann sich nicht von alleine Macht aneignen. Nur wenn die EU-Mitgliedstaaten ihr diese Macht übertragen, kann sie handeln. Die Zuständigkeiten der Europäischen Union sind derzeit im Vertrag von Nizza festgeschrieben. Ein Schlüsselbegriff ist dabei das Grundprinzip der Subsidiarität. Es besagt, dass die EU nur dann handeln darf, wenn ein Ziel nicht durch nationales oder sogar regionales Handeln erreicht werden kann. Ein Beispiel: Der Klimaschutz. Nur wenn alle Mitgliedstaaten einen
Beitrag leisten, kann der Klimaschutz gelingen. Das kann aber nur gewährleistet werden, wenn Maßnahmen zum Klimaschutz auf EU-Ebene vereinbart und kontrolliert werden. Bei der Umsetzung sind aber wiederum die Mitgliedstaaten am Zug.

Der neue EU-Reformvertrag (Vertrag von Lissabon) enthält eine Liste mit den Zuständigkeiten der EU. Das Subsidiaritätsprinzip wird darin weiter gestärkt und die nationalen Parlamente bekommen die Möglichkeit, bei einem Verstoß gegen dieses Prinzip zu klagen. Auch die Bürgerinnen und Bürger können nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags durch die europäische Bürgerinitiative in den Entscheidungsprozess eingreifen: Mit einer Million Unterschriften, kann die Europäische Union dann aufgefordert werden, einen Gesetzesentwurf zu einem bestimmten Thema vorzulegen.

Behauptung: Die Erweiterung führt zu Standortverlegungen und Lohndumping

Standortverlegungen und Lohndumping sind Folgen der technischen Entwicklung und des globalen Wettbewerbs. Studien belegen, dass Standortverlagerungen von den alten in die neuen Mitgliedsstaaten der EU als Folge der Osterweiterung ein begrenztes Phänomen geblieben sind. Allerdings haben einige Unternehmen die Erweiterung genutzt, um ihre Produktion in den neuen Mitgliedstaaten zu ergänzen oder dortige Firmen aufzukaufen. Bestes Beispiel: Skoda, das inzwischen zu VW gehört.

Die Sorge, hiesige Löhne könnten durch die Erweiterung unter Druck kommen hat sich nicht bewahrheitet. Bis 2011 bleibt der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Polen, Ungarn, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Slowenien, Lettland, Litauen und Estland beschränkt. Für Bulgaren und Rumänen gelten die Beschränkungen bis 2014. Für entsandte Angestellte von Unternehmen aus den neuen Mitgliedstaaten gelten Lohnmindestgrenzen. Dennoch hat sich im vergangenen Jahr gezeigt, dass diese Regelungen in Einzelfällen nicht ausreichen, weil sie nicht allgemeinverbindlich sind und deshalb mit dem EU-Recht in Konflikt geraten können. Zugleich schaffen sie in Verbindung mit der bestehenden Reisefreiheit Anreize zur illegalen Beschäftigung.

Wir halten deshalb eine allgemeingültigen Mindestlohn für dringend erforderlich und wollen mit einer sozialen Fortschrittsklausel in den EU-Verträgen das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort europaweit festschreiben.

Behauptung: Die Erweiterung öffnet illegaler Einwanderung und Kriminalität Tür und Tor.

Durch die Erweiterung ist die Zusammenarbeit mit den neuen Mitgliedstaaten auch bei der Bekämpfung von Kriminalität und illegaler Einwanderung um ein vielfaches erleichtert worden. Die EU bietet hierfür einen politischen und rechtlichen Rahmen. Besonders wichtig ist dabei die Zusammenarbeit im Schengen-Raum, in dem es keine Grenzkontrollen mehr gibt. Seit dem 21. Dezember 2007 gilt dies auch für neun der 10 neuen Mitgliedstaaten. Mit dem Wegfall der Grenzkontrollen geht eine verstärkte Zusammenarbeit der Polizei, der Anschluss an gemeinsame Datenbanken und die Umsetzung von Mindeststandards bei der Kontrolle von Außengrenzen einher. All dies führt zu mehr Sicherheit. Das belegen auch die Statistiken des Bundesinnenministeriums. Mit Europol gibt es seit 1994 ein Europäisches Polizeiamt, das die nationalen Polizeibehörden durch den Austausch von Informationen und die Koordinierung bei Fahndungen unterstützt. Weiterhin hat die EU ein gemeinsames Anti-Terror-Programm entwickelt. Diesem liegt die Überzeugung zugrunde, dass eine Union von Staaten Sicherheit und Recht besser gewährleisten kann als ein einzelnes Land. Darum arbeitet die EU beständig daran, die Zusammenarbeit von Polizei, Zoll und Justiz auszubauen, um gemeinsam gegen Terrorismus, illegale Migration, organisierte Kriminalität und Menschenhandel vorzugehen.

 

 

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